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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Regionaler Konjunkturbericht – Wirtschaft sendet Warnsignal an die Politik

Für die Erhebung der IHK Nordschwarzwald wurden im September rund 300 regionale Unternehmen befragt. Die Ergebnisse basieren dabei nicht auf komplizierten Methodiken und mehrschichtigen Berechnungsmodellen, sondern auf einem repräsentativen Branchenmix, der die Wirtschaftsstruktur der Region widerspiegelt. Das geht aus einer Mitteilung der IHK Nordschwarzwald hervor, die jüngst ihren aktuellen Konjunkturbericht veröffentlichte und dieser klingt besorgniserregend.
Claudia Gläser, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nordschwarzwald. (Archivbild) ©Thomas Meyer, Pforzheimer Zeitung

24.10.2024

„Wir erhalten vor Ort also ein unverfälschtes Bild von der Geschäftslage und zu den Aussichten für die kommenden zwölf Monate – und dieses Bild ist besorgniserregend“, resümieren IHK-Präsidentin Claudia Gläser und IHK-Hauptgeschäftsführerin Tanja Traub. „Das veranlasst uns, als Sprachrohr der regionalen Wirtschaft, noch deutlichere Signale in Richtung Bundespolitik zu senden.“

Seit fast zwei Jahren zeigt die deutsche Wirtschaft Schwächen, und Anzeichen für einen Aufschwung zum Jahreswechsel bleiben aus. Im Gegenteil: Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in ihrer Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024 davon aus, dass die deutsche Gesamtwirtschaft mit ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in 2024 sogar um 0,1 Prozent schrumpft. Auch die konkreten Rückmeldungen der regionalen Wirtschaft im Nordschwarzwald sind negativ.

Bildnachweis Grafik: IHK Nordschwarzwald / highcharts.com

Nur 18 Prozent der Unternehmen im Nordschwarzwald bewerten ihre Geschäftslage als gut, während 29 Prozent sie als schlecht und 53 Prozent als befriedigend einstufen. „Diese Werte sind vor dem Hintergrund einer über zwei Jahre anhaltenden Stagnation im Übergang zu einer Rezession einzuordnen“, so Traub.

Immer mehr Unternehmen geraten in eine schwierige Geschäftslage


Der Anteil der Unternehmen mit schlechter Geschäftslage war bereits von 20 Prozent im Herbst 2023 auf 23 Prozent im Frühjahr 2024 gestiegen. Der Abwärtstrend setzt sich also fort. Besonders kritisch zeigt sich die Ertragslage: Lediglich jedes neunte Unternehmen bewertet sie als gut, während 47 Prozent von einer befriedigenden und 42 Prozent von einer schlechten Ertragslage berichten. Im Frühjahr 2024 lag dieser Wert bei 37, vor einem Jahr nur bei 26 Prozent. IHK-Präsidentin Claudia Gläser: „Die wachsende Zahl an Unternehmen in Schwierigkeiten zeigt sich bundesweit mit einer steigenden Zahl an Insolvenzen und vor Ort außerdem mit dem steigenden Beratungsbedarf von Unternehmen in problematischen Situationen. Die Bundesregierung hatte noch vor wenigen Wochen ihre Wachstumserwartungen angehoben und das mit möglichen Positiv-Effekten durch die im Juli beschlossene sogenannte Wachstumsinitiative begründet. Wir müssen feststellen: Das kommt in der Wirtschaft nicht an und das spiegelt sich auch nicht in den Rückmeldungen unserer Unternehmen wider. Auch wenn Robert Habeck seine Erwartungen vor wenigen Tagen an die der Wirtschaftsforschungsinstitute angepasst hat, habe ich Zweifel, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage richtig einordnet, die Sorgen und Nöte der Wirtschaft versteht und entsprechend handlungsbereit ist. Unsere Geduld ist am Ende. Die Wirtschaftsaussichten trüben sich zunehmend ein. Wir brauchen jetzt dringend klare Signale der Ampel-Koalition.“

Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung sprechen deutliche Sprache


„Die Unzufriedenheit ist hoch – dies zeigt sich besonders in der Einschätzung der Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung der eigenen Unternehmen“, sagt Tanja Traub. Mit 76 Prozent steht der Anstieg der Arbeitskosten auf Platz eins. Noch im Frühjahr lag dieser Wert bei 61 Prozent, im Vorjahr bei 59 Prozent. „Hier entfaltet die Lohn-Preis-Spirale ihre Wirkung und das nimmt einen noch intensiveren Einfluss auf unsere Wettbewerbsfähigkeit“, so Traub weiter. An zweiter Stelle folgt die schwache Inlandsnachfrage, die mit rund 74 Prozent auf einem vorderen Platz bleibt. „Auch hier fehlen wichtige Impulse seitens der Politik. Die ‚Wachstumsinitiative‘ der Bundesregierung – mit zarten Ansätzen zur Bürokratieentlastung und schüchternen Versuchen zu besseren Abschreibungsbedingungen – reichen nicht aus und sind ein schwaches Signal. Wir brauchen grundlegende Reformen, die den Staat bei den nicht-investiven Ausgaben entlasten und der Wirtschaft Planungssicherheit für Investitionen geben“, kritisiert die IHK-Hauptgeschäftsführerin. Die Energie- und Rohstoffpreise (Platz 3) sowie der strukturelle Fachkräftemangel (Platz 4) runden die Liste der Top-Risiken ab.

Die Welt wartet nicht auf Deutschland


Die Exportnation Deutschland sieht sich durch geopolitische Spannungen zunehmend gefährdet. Das belegen die schwachen Zahlen zu den Exporterwartungen: Nur 26 Prozent erwarten steigende Exporte (Frühjahr 2024: 38 Prozent), 36 Prozent erwarten gleichbleibende Exporte (Frühjahr 2024: 35) und knapp 38 Prozent rechnen mit fallenden Exporten (Frühjahr 2024: 27).

„Immerhin: Mit der neuen EU-Kommission ist wieder ein gewisses Maß an Handlungsfähigkeit erreicht. Doch anstatt sich international dafür einzusetzen, dass unser Binnenmarkt noch weiter vertieft wird und neue internationale Handelsabkommen – wie beispielsweise Mercosur – vorangetrieben werden, damit unsere Unternehmen neue Märkte erschließen können, erleben wir bei der Bundesregierung innenpolitische Selbstbeschäftigung. Der Druck der Ampel auf die EU bleibt aus. Zugleich stehen die US-Präsidentschaftswahlen bevor, die möglicherweise neuen Protektionismus mit sich bringen. Deutschland und die EU müssen vor diesem Hintergrund eine aktivere Rolle einnehmen, doch stattdessen sehen wir ein zunehmendes Schwächeln“, kritisiert IHK-Präsidentin Claudia Gläser.

Keine Anzeichen für einen Aufschwung zum Jahreswechsel 2024/2025


Auch die Frühindikatoren deuten auf eine anhaltend schwierige Lage hin. Weniger als neun Prozent der Unternehmen verzeichnen noch steigende Auftragseingänge, 52 Prozent geben ein gleichbleibendes Volumen an, während 39 Prozent von einem Rückgang berichten. „Das anhaltend niedrige und sinkende Niveau der Auftragseingänge seit über einem Jahr bereitet große Sorgen“, so Tanja Traub. Auf die Frage nach der Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten geben lediglich 19 Prozent eine Verbesserung an. 51 Prozent gehen von gleichbleibenden Geschäften aus und 30 Prozent erwarten eine weitere Verschlechterung.

Tanja Traub, Hauptgeschäftsführerin IHK Nordschwarzwald. (Archivbild) (c)Foto: Gerd Lache


Ohne Gegensteuern droht Abwanderung von Unternehmen ins Ausland


Bei der genaueren Auswertung der einzelnen Wirtschaftszweige hinterlassen die Zahlen zum verarbeitenden Gewerbe die größte Sorge. Nur neun Prozent beurteilen die Geschäftslage als gut, etwas über 46 Prozent als befriedigend und ganze 44 Prozent als schlecht. Eine gute Ertragslage sehen nur sieben Prozent, 44 bezeichnen sie als befriedigend und über 48 Prozent als schlecht. „Die Kostensituation in der Industrie ist erdrückend. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit leidet und ohne ein Gegensteuern der Politik droht die Abwanderung von vielen Unternehmen ins Ausland“, macht die IHK-Präsidentin den Ernst der Lage deutlich.

Verarbeitendes Gewerbe


In der regionalen Industrie herrscht schlechte Stimmung. Nur neun Prozent berichten von gut laufenden Geschäften – das sind nochmals fünf Prozentpunkte weniger als im Frühjahr – und 46 Prozent sprechen von einer befriedigenden Situation. Bereits mehr als 44 Prozent bezeichnen die Geschäftslage als schlecht. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Damit einher geht die Bewertung der aktuellen Ertragslage: 48 Prozent geben sie als „schlecht“ an (Herbst 2023: knapp 35 Prozent), 44 Prozent bezeichnen sie als „befriedigend“ und nur sieben Prozent als „gut“ (Herbst 2023: 23,5 Prozent). Seit einem Jahr zeigt die Kapazitätsauslastung einen weiteren Rückgang von zuvor bereits abgesunkenen 80,5 Prozent auf nunmehr knapp 75 Prozent.

Tourismus


Im Tourismusgewerbe der Region herrscht noch eine recht stabile Lage: 50 Prozent bewerten die Geschäftslage als positiv (Vorjahreszeitraum: 33 Prozent), 42 Prozent sehen sie als befriedigend (Herbst 2023: 55 Prozent); nunmehr 8 Prozent sprechen von einer schlechten Geschäftslage (Herbst 2023: 11 Prozent). 16 Prozent stellen wachsende Umsatzzahlen fest (Herbst 2023: 27 Prozent), 42 Prozent geben gleichbleibende Umsätze an (Herbst 2023: 36 Prozent). Die Ertragslage zeigt sich bei 31 Prozent positiv, Gut 38 Prozent sehen sie negativ, 31 Prozent bewerten sie mit „befriedigend“. Während im verarbeitenden Gewerbe nach der Inlandsnachfrage die Arbeitskosten als wirtschaftliches Risiko Nummer zwei gesehen werden, landen sie im Tourismusgewerbe aktuell auf Platz eins.

Handel & Dienstleistungen

Die Unternehmen aus dem Bereich Handel & Dienstleistungen zeichnen ein etwas besseres Bild von der wirtschaftlichen Lage als das produzierende Gewerbe: Immerhin 27 Prozent geben an, die Geschäftslage sei „gut“ (Herbst 2023: 16,5 Prozent), 61 bezeichnen sie als „befriedigend“ (Herbst 2023: 77 Prozent) und zwölf Prozent als schlecht.
Für die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen dieser Branchen werden auch hier mit Abstand die Arbeitskosten sowie der strukturelle Fachkräftemangel als stärkste Risiken gesehen.

pm

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