Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
Von Gerd Lache | 13.02.2023
Lorenz Geyer ist überzeugter Netzwerker. „Netzwerken ist das A und O“, sagt der Geschäftsführer der Eugen Geyer GmbH in Königsbach-Stein bei Pforzheim. So ist er beispielsweise Gründungsmitglied des Vereins Hochform, der inzwischen als Netzwerk Hochform firmiert. Ziel des Zusammenschlusses von derzeit 62 Unternehmen aus der Region Nordschwarzwald ist: Betriebe der Präzisionstechnik und deren Kompetenzen stärker zu positionieren, den Technologietransfer und Innovationen zu fördern, Fachkräfte zu akquirieren und als wesentliche Maßnahme auch das Zentrum für Präzisionstechnik (ZPT) – angesiedelt in geografischer Nachbarschaft zur Hochschule Pforzheim – zu unterstützen.
Der städtische Eigenbetrieb Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP) mit Direktor Oliver Reitz an der Spitze koordiniert für diesen Zusammenschluss diverse Projekte und Maßnahmen und setzt sie um – beispielsweise mit Vorträgen. Nach einer dieser Fach-Veranstaltungen des WSP mit dem Titel „Personaldialog“ Ende November 2022 hat sich Lorenz Geyer über das sogenannte beschleunigte Fachkräfteverfahren erkundigt – und speziell über die rechtlichen Einwanderungsmöglichkeiten einer Fachkraft mit britischer Staatsangehörigkeit.
Denn Geyer hatte seinem ehemaligen Geschäftskunden Mike Kelly die Stelle als Vertriebsleiter angeboten, nachdem dieser durch die Folgen des Brexit seine Existenzgrundlage verloren hatte. „Die Kosten gingen durch die Decke“, sagt der diplomierte Ingenieur. Alleine das Porto eines Paketversands sei um fast das Sechsfache gestiegen. Kunden sprangen ab, Lieferketten wurden unterbrochen, der Umsatz schmolz.
Um sich über Wasser halten zu können, füllte er Supermarktregale auf. Geholfen hat das nicht. Er konnte seine Kundschaft in Deutschland, Großbritannien, USA und Mexiko nicht mehr adäquat bedienen. Auch seine Ehe zerbrach. Kelly wickelte alles ab, kehrte seinem Land den Rücken, siedelte kürzlich in den Nordschwarzwald über und wird demnächst die Doppel-Staatsbürgerschaft beantragen, denn seine Mutter ist Deutsche.
Dass der Brite bereits knapp zwei Monate nach dem Netzwerk-Vortrag in Pforzheim seine neue Position im Nordschwarzwald antreten konnte, ist auch einer vor zwei Jahren geschaffenen Einrichtung zu verdanken. Als eine von wenigen Kommunen in Baden-Württemberg hat die Goldstadt zwei Personalstellen geschaffen, deren Mitarbeiterinnen die in Pforzheim ansässigen Unternehmen in allen rechtlichen Fragen beraten, wenn es um die Einstellung von ausländischen Fachkräften geht. Vor allem aber: Sie sorgen für eine zügige bürokratische Abwicklung.
Kelly reiste Anfang Januar 2023 nach Pforzheim. „Ich hatte nur ein paar Tage, um alles zu klären“, erzählt er. Die Unterstützung vor Ort sei „sensationell“ gewesen, soll heißen: schnell und unkompliziert, trotz Einhaltung der bürokratischen Vorgaben.
Allerdings passt der Wahl-Schwarzwälder nicht ganz ins Raster des beschleunigten Fachkräfteverfahrens. Eigentlich, erklärt Neslihan Bahadir von der Fachkräfteeinwanderung Pforzheim, müsse dieses beschleunigte Verfahren zur Rekrutierung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten bei der Ausländerbehörde am Sitz des Betriebes beantragt werden. Im Fall Kelly und der Firma Geyer wäre dies das Landratsamt Enzkreis gewesen.
Eine Ausnahme gebe es jedoch bei britischen Staatsbürgern. Sie dürfen für einen Kurzaufenthalt visumfrei einreisen und die Formalitäten bei der Ausländerbehörde des künftigen Wohnortes, also in der Goldstadt, regeln.
Und dort wurde ein funktionierendes Netzwerk in Bewegung gesetzt. Neslihan Bahadir und WSP-Geschäftsbereichsleiter Markus Epple sowie Personalreferentin Anna Fischbach von Geyer nebst Firmenchef Lorenz Geyer setzten alles daran, Mike Kelly schnellstmöglich in seine neue Lebens- und Arbeitswelt zu führen. „Seit einer Woche wohne ich in Pforzheim“, sagt er strahlend in perfektem Deutsch mit sympathisch britischem Akzent. Als frisch eingestellter Geyer-Vertriebsleiter hat er auch schon anspruchsvolle Ziele, unter anderem den USA-Markt weiter aufzurollen.
Kellys neuer Arbeitgeber, die Eugen Geyer GmbH in Königsbach-Stein bei Pforzheim, produziert maßgefertigte Metallhalbzeuge für den Maschinenbau (Anteil 50 Prozent) sowie zur anderen Hälfte für Medizintechnik, Musikinstrumente-Hersteller und Automotive. Knapp 30 Prozent beträgt der Exportanteil des Unternehmens mit 85 Beschäftigten.
Mit den Verbindungen des Briten aus seiner Unternehmertätigkeit im Vereinigten Königreich könnten möglicherweise noch weitere Brexit-Geschädigte als Fachkräfte für die Region in Baden-Württemberg gewonnen werden. Denn es läuft nicht mehr rund auf der Insel. Einem ARD-Bericht zufolge betreiben rund 61 Prozent der britischen Unternehmen inzwischen „weniger bis deutlich weniger“ Handel mit der Europäischen Union. 14 Prozent hätten sich sogar gänzlich von der EU verabschiedet. So zumindest das Ergebnis einer Umfrage der britischen Handelskammer.
Firmenchef Lorenz Geyer hat seine neue Fachkraft bei der Ankunft „aufgefangen“ und in sein Netzwerk eingebunden, wie er sagt. So hat Kelly beispielsweise bereits die Oldtimer-Fans des „Freundeskreis Autokultur Pforzheim“ kennen gelernt und sagt: „Ich fühle mich schon sehr wohl hier.“ Den Brexit-Schock hat er damit wohl hinter sich gelassen. Was bleibt ist das Heimweh zu den beiden erwachsenen Söhnen und nach einem trotz allem „wunderbaren Land“.
Neslihan Bahadir von der Fachkräfteeinwanderung der Stadt Pforzheim informiert über die Möglichkeit, Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten für deutsche Unternehmen zu rekrutieren:
In Baden-Württemberg seien die lokalen Ausländerbehörden für das beschleunigte Fachkräfteverfahren zuständig. Die Zuständigkeit richte sich dabei nach dem Betriebssitz des Unternehmens.
Der Betriebssitz der Eugen Geyer GmbH sein in Königsbach-Stein und damit im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes Enzkreis. Im vorliegenden Fall Mike Kelly „hatten wir aber die Besonderheit, dass eine Fachkraft mit britischer Staatsangehörigkeit rekrutiert wurde, welche ihren Wohnsitz in Pforzheim genommen hatte“, erklärte Bahadir.
Und Fachkräfte mit britischer Staatsangehörigkeit könnten für einen Kurzaufenthalt visumfrei einreisen „und den erforderlichen Aufenthaltstitel, nach der visumsfreien Einreise bei der Ausländerbehörde am Ort des neuen Wohnsitzes in Deutschland beantragen“. Das beschleunigte Fachkräfteverfahren sei hier also nicht erforderlich gewesen. Der Vorgang sei sogar noch schneller erledigt gewesen.
Ablauf des beschleunigten Fachkräfteverfahrens:
Es basiere auf einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der Ausländerbehörde. Der Arbeitgeber handele dabei in Vollmacht der Fachkraft, die er beschäftigen oder ausbilden möchte.
Vor Einleitung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens werde mit dem Arbeitgeber in einem Vorab-Check geklärt, ob die Zugangsvoraussetzungen vorliegen.
Die Ausländerbehörde
Von Gerd Lache | 13.02.2023
Lorenz Geyer ist überzeugter Netzwerker. „Netzwerken ist das A und O“, sagt der Geschäftsführer der Eugen Geyer GmbH in Königsbach-Stein bei Pforzheim. So ist er beispielsweise Gründungsmitglied des Vereins Hochform, der inzwischen als Netzwerk Hochform firmiert. Ziel des Zusammenschlusses von derzeit 62 Unternehmen aus der Region Nordschwarzwald ist: Betriebe der Präzisionstechnik und deren Kompetenzen stärker zu positionieren, den Technologietransfer und Innovationen zu fördern, Fachkräfte zu akquirieren und als wesentliche Maßnahme auch das Zentrum für Präzisionstechnik (ZPT) – angesiedelt in geografischer Nachbarschaft zur Hochschule Pforzheim – zu unterstützen.
Der städtische Eigenbetrieb Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP) mit Direktor Oliver Reitz an der Spitze koordiniert für diesen Zusammenschluss diverse Projekte und Maßnahmen und setzt sie um – beispielsweise mit Vorträgen. Nach einer dieser Fach-Veranstaltungen des WSP mit dem Titel „Personaldialog“ Ende November 2022 hat sich Lorenz Geyer über das sogenannte beschleunigte Fachkräfteverfahren erkundigt – und speziell über die rechtlichen Einwanderungsmöglichkeiten einer Fachkraft mit britischer Staatsangehörigkeit.
Denn Geyer hatte seinem ehemaligen Geschäftskunden Mike Kelly die Stelle als Vertriebsleiter angeboten, nachdem dieser durch die Folgen des Brexit seine Existenzgrundlage verloren hatte. „Die Kosten gingen durch die Decke“, sagt der diplomierte Ingenieur. Alleine das Porto eines Paketversands sei um fast das Sechsfache gestiegen. Kunden sprangen ab, Lieferketten wurden unterbrochen, der Umsatz schmolz.
Um sich über Wasser halten zu können, füllte er Supermarktregale auf. Geholfen hat das nicht. Er konnte seine Kundschaft in Deutschland, Großbritannien, USA und Mexiko nicht mehr adäquat bedienen. Auch seine Ehe zerbrach. Kelly wickelte alles ab, kehrte seinem Land den Rücken, siedelte kürzlich in den Nordschwarzwald über und wird demnächst die Doppel-Staatsbürgerschaft beantragen, denn seine Mutter ist Deutsche.
Dass der Brite bereits knapp zwei Monate nach dem Netzwerk-Vortrag in Pforzheim seine neue Position im Nordschwarzwald antreten konnte, ist auch einer vor zwei Jahren geschaffenen Einrichtung zu verdanken. Als eine von wenigen Kommunen in Baden-Württemberg hat die Goldstadt zwei Personalstellen geschaffen, deren Mitarbeiterinnen die in Pforzheim ansässigen Unternehmen in allen rechtlichen Fragen beraten, wenn es um die Einstellung von ausländischen Fachkräften geht. Vor allem aber: Sie sorgen für eine zügige bürokratische Abwicklung.
Kelly reiste Anfang Januar 2023 nach Pforzheim. „Ich hatte nur ein paar Tage, um alles zu klären“, erzählt er. Die Unterstützung vor Ort sei „sensationell“ gewesen, soll heißen: schnell und unkompliziert, trotz Einhaltung der bürokratischen Vorgaben.
Allerdings passt der Wahl-Schwarzwälder nicht ganz ins Raster des beschleunigten Fachkräfteverfahrens. Eigentlich, erklärt Neslihan Bahadir von der Fachkräfteeinwanderung Pforzheim, müsse dieses beschleunigte Verfahren zur Rekrutierung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten bei der Ausländerbehörde am Sitz des Betriebes beantragt werden. Im Fall Kelly und der Firma Geyer wäre dies das Landratsamt Enzkreis gewesen.
Eine Ausnahme gebe es jedoch bei britischen Staatsbürgern. Sie dürfen für einen Kurzaufenthalt visumfrei einreisen und die Formalitäten bei der Ausländerbehörde des künftigen Wohnortes, also in der Goldstadt, regeln.
Und dort wurde ein funktionierendes Netzwerk in Bewegung gesetzt. Neslihan Bahadir und WSP-Geschäftsbereichsleiter Markus Epple sowie Personalreferentin Anna Fischbach von Geyer nebst Firmenchef Lorenz Geyer setzten alles daran, Mike Kelly schnellstmöglich in seine neue Lebens- und Arbeitswelt zu führen. „Seit einer Woche wohne ich in Pforzheim“, sagt er strahlend in perfektem Deutsch mit sympathisch britischem Akzent. Als frisch eingestellter Geyer-Vertriebsleiter hat er auch schon anspruchsvolle Ziele, unter anderem den USA-Markt weiter aufzurollen.
Kellys neuer Arbeitgeber, die Eugen Geyer GmbH in Königsbach-Stein bei Pforzheim, produziert maßgefertigte Metallhalbzeuge für den Maschinenbau (Anteil 50 Prozent) sowie zur anderen Hälfte für Medizintechnik, Musikinstrumente-Hersteller und Automotive. Knapp 30 Prozent beträgt der Exportanteil des Unternehmens mit 85 Beschäftigten.
Mit den Verbindungen des Briten aus seiner Unternehmertätigkeit im Vereinigten Königreich könnten möglicherweise noch weitere Brexit-Geschädigte als Fachkräfte für die Region in Baden-Württemberg gewonnen werden. Denn es läuft nicht mehr rund auf der Insel. Einem ARD-Bericht zufolge betreiben rund 61 Prozent der britischen Unternehmen inzwischen „weniger bis deutlich weniger“ Handel mit der Europäischen Union. 14 Prozent hätten sich sogar gänzlich von der EU verabschiedet. So zumindest das Ergebnis einer Umfrage der britischen Handelskammer.
Firmenchef Lorenz Geyer hat seine neue Fachkraft bei der Ankunft „aufgefangen“ und in sein Netzwerk eingebunden, wie er sagt. So hat Kelly beispielsweise bereits die Oldtimer-Fans des „Freundeskreis Autokultur Pforzheim“ kennen gelernt und sagt: „Ich fühle mich schon sehr wohl hier.“ Den Brexit-Schock hat er damit wohl hinter sich gelassen. Was bleibt ist das Heimweh zu den beiden erwachsenen Söhnen und nach einem trotz allem „wunderbaren Land“.
Neslihan Bahadir von der Fachkräfteeinwanderung der Stadt Pforzheim informiert über die Möglichkeit, Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten für deutsche Unternehmen zu rekrutieren:
In Baden-Württemberg seien die lokalen Ausländerbehörden für das beschleunigte Fachkräfteverfahren zuständig. Die Zuständigkeit richte sich dabei nach dem Betriebssitz des Unternehmens.
Der Betriebssitz der Eugen Geyer GmbH sein in Königsbach-Stein und damit im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes Enzkreis. Im vorliegenden Fall Mike Kelly „hatten wir aber die Besonderheit, dass eine Fachkraft mit britischer Staatsangehörigkeit rekrutiert wurde, welche ihren Wohnsitz in Pforzheim genommen hatte“, erklärte Bahadir.
Und Fachkräfte mit britischer Staatsangehörigkeit könnten für einen Kurzaufenthalt visumfrei einreisen „und den erforderlichen Aufenthaltstitel, nach der visumsfreien Einreise bei der Ausländerbehörde am Ort des neuen Wohnsitzes in Deutschland beantragen“. Das beschleunigte Fachkräfteverfahren sei hier also nicht erforderlich gewesen. Der Vorgang sei sogar noch schneller erledigt gewesen.
Ablauf des beschleunigten Fachkräfteverfahrens:
Es basiere auf einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der Ausländerbehörde. Der Arbeitgeber handele dabei in Vollmacht der Fachkraft, die er beschäftigen oder ausbilden möchte.
Vor Einleitung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens werde mit dem Arbeitgeber in einem Vorab-Check geklärt, ob die Zugangsvoraussetzungen vorliegen.
Die Ausländerbehörde
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