Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
Gerd Lache | 08.04.2025
Mit deutlichen Worten und einer fundierten Analyse hat Professor Dr. Bernhard Kölmel, Vorsitzender des Transformationsbeirats im Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald, vor den Mitgliedern des Transformationsbeirats die aktuelle Situation im Nordschwarzwald auf den Punkt gebracht: „Als Zulieferer an der Automobilbranche festzuhalten, das ist fahrlässig. Wir müssen im Nordschwarzwald die neuen, zukunftsorientierten Branchen adressieren.“
Kölmel sieht für die vielen Komponenten-Produzenten in der Region keine tragfähige Zukunft mehr. Der Wandel der Branche – insbesondere durch die rasante Entwicklung von Plattformökonomien wie MIH („Mobility in Harmony“) des taiwanesischen Technologieriesen Foxconn mit seinen zahlreichen Produktionsstätten auf der ganzen Welt – mache deutlich: Die klassische Rolle des deutschen Zulieferers ist in einem global standardisierten Marktumfeld der Elektromobilität nicht mehr wettbewerbsfähig.
Standard schlägt Präzision
Die Plattformökonomie verändere das Spiel: Fahrzeugkomponenten für E-Autos würden weltweit standardisiert, Softwarearchitekturen offen bereitgestellt, Preise massiv gedrückt. Ein Inverter, früher für bis zu 1.000 Euro produziert, koste auf der Plattform nur noch rund 200 Euro. Deutsche Zulieferer könnten in diesem Kostenumfeld kaum bestehen. Und während sich Marken wie Mercedes, Porsche oder BMW durch ihre starke Position noch behaupten könnten – wenn auch mit Verlagerung von Wertschöpfung ins Ausland –, sieht Kölmel die Zulieferer in der Region perspektivisch abgehängt.
„Good enough“-Technologie, also gerade gut genug für den Markt, wie sie etwa durch chinesische Anbieter vorangetrieben werde, verdränge das Qualitätsversprechen „Made in Germany“. Die traditionellen Stärken der Region – Präzision, Zuverlässigkeit, Qualität – verlieren dem Beiratsvorsitzenden zufolge in einem durch kommodifizierten, also durch standardisierte Produkte geprägten Markt an Bedeutung. Kölmels Analyse: Die Nordschwarzwälder Zuliefererindustrie stehe vor einem strukturellen Bedeutungsverlust.
Zukunft durch Diversifikation
Die Antwort auf diesen Strukturwandel sieht Kölmel in der konsequenten Diversifikation. Der Nordschwarzwald müsse sich neu ausrichten – hin zu innovativen Branchen wie beispielsweis Medizintechnik, Robotik, Luft- und Raumfahrt, Automatisierungstechnik oder Defence. Dieser Wandel sei alternativlos, aber nicht kurzfristig umsetzbar. „Drei bis zehn Jahre dauert es, neue Märkte zu erschließen. Dafür braucht es Mut, Kapital, Kompetenz, gut ausgebildete Mitarbeiter – und einen langen Atem.“
Das Transformationsnetzwerk (TraFoNetz) Nordschwarzwald spiele laut Kölmel in diesem Wandel eine zentrale Rolle. Das TraFoNetz-Kompetenz-Team begleite Unternehmen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, teste Innovationsstrategien und identifiziere zukunftsweisende Technologien. Gleichzeitig fordert Kölmel auch stärkere politische Unterstützung für mittelständische Zulieferer, da der Fokus bisher zu stark auf die renditeorientierten Automobilhersteller gelegt worden sei. Einen entsprechenden Aufruf hat der Transformationsbeirat kürzlich der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin übergeben.
Innovationskraft als einziger Wettbewerbsfaktor
Für Deutschland insgesamt formuliert Kölmel eine klare Diagnose: „Ohne Differenzierung durch echte Innovation ist die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu halten.“ Ein bloßes Reagieren auf Marktveränderungen reiche nicht aus. Unternehmen müssten „dorthin laufen, wo der Puck sein wird, nicht dorthin, wo er gewesen ist“, zitiert er die Eishockey-Legende Wayne Gretzky.
Kölmels Appell vor den Mitgliedern des Transformationsbeirats: Der Nordschwarzwald hat die Chance, zum Pionier neuer Industriezweige zu werden. Aber dafür müssen sich die Unternehmen jetzt bewegen – und alte Gewissheiten hinter sich lassen.
TraFoNetz unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald ist ein Netzwerk für Transformation und Innovation, das Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen bringt. Ziel ist es, die Region Nordschwarzwald zu einem führenden Standort für innovative Unternehmen und zukunftsfähige Technologien zu machen.
Partner des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, e-mobil BW, IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Steinbeis InnoBW, wvib Wirtschaftsverband und weitere.
Gerd Lache | 08.04.2025
Mit deutlichen Worten und einer fundierten Analyse hat Professor Dr. Bernhard Kölmel, Vorsitzender des Transformationsbeirats im Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald, vor den Mitgliedern des Transformationsbeirats die aktuelle Situation im Nordschwarzwald auf den Punkt gebracht: „Als Zulieferer an der Automobilbranche festzuhalten, das ist fahrlässig. Wir müssen im Nordschwarzwald die neuen, zukunftsorientierten Branchen adressieren.“
Kölmel sieht für die vielen Komponenten-Produzenten in der Region keine tragfähige Zukunft mehr. Der Wandel der Branche – insbesondere durch die rasante Entwicklung von Plattformökonomien wie MIH („Mobility in Harmony“) des taiwanesischen Technologieriesen Foxconn mit seinen zahlreichen Produktionsstätten auf der ganzen Welt – mache deutlich: Die klassische Rolle des deutschen Zulieferers ist in einem global standardisierten Marktumfeld der Elektromobilität nicht mehr wettbewerbsfähig.
Standard schlägt Präzision
Die Plattformökonomie verändere das Spiel: Fahrzeugkomponenten für E-Autos würden weltweit standardisiert, Softwarearchitekturen offen bereitgestellt, Preise massiv gedrückt. Ein Inverter, früher für bis zu 1.000 Euro produziert, koste auf der Plattform nur noch rund 200 Euro. Deutsche Zulieferer könnten in diesem Kostenumfeld kaum bestehen. Und während sich Marken wie Mercedes, Porsche oder BMW durch ihre starke Position noch behaupten könnten – wenn auch mit Verlagerung von Wertschöpfung ins Ausland –, sieht Kölmel die Zulieferer in der Region perspektivisch abgehängt.
„Good enough“-Technologie, also gerade gut genug für den Markt, wie sie etwa durch chinesische Anbieter vorangetrieben werde, verdränge das Qualitätsversprechen „Made in Germany“. Die traditionellen Stärken der Region – Präzision, Zuverlässigkeit, Qualität – verlieren dem Beiratsvorsitzenden zufolge in einem durch kommodifizierten, also durch standardisierte Produkte geprägten Markt an Bedeutung. Kölmels Analyse: Die Nordschwarzwälder Zuliefererindustrie stehe vor einem strukturellen Bedeutungsverlust.
Zukunft durch Diversifikation
Die Antwort auf diesen Strukturwandel sieht Kölmel in der konsequenten Diversifikation. Der Nordschwarzwald müsse sich neu ausrichten – hin zu innovativen Branchen wie beispielsweis Medizintechnik, Robotik, Luft- und Raumfahrt, Automatisierungstechnik oder Defence. Dieser Wandel sei alternativlos, aber nicht kurzfristig umsetzbar. „Drei bis zehn Jahre dauert es, neue Märkte zu erschließen. Dafür braucht es Mut, Kapital, Kompetenz, gut ausgebildete Mitarbeiter – und einen langen Atem.“
Das Transformationsnetzwerk (TraFoNetz) Nordschwarzwald spiele laut Kölmel in diesem Wandel eine zentrale Rolle. Das TraFoNetz-Kompetenz-Team begleite Unternehmen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, teste Innovationsstrategien und identifiziere zukunftsweisende Technologien. Gleichzeitig fordert Kölmel auch stärkere politische Unterstützung für mittelständische Zulieferer, da der Fokus bisher zu stark auf die renditeorientierten Automobilhersteller gelegt worden sei. Einen entsprechenden Aufruf hat der Transformationsbeirat kürzlich der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin übergeben.
Innovationskraft als einziger Wettbewerbsfaktor
Für Deutschland insgesamt formuliert Kölmel eine klare Diagnose: „Ohne Differenzierung durch echte Innovation ist die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu halten.“ Ein bloßes Reagieren auf Marktveränderungen reiche nicht aus. Unternehmen müssten „dorthin laufen, wo der Puck sein wird, nicht dorthin, wo er gewesen ist“, zitiert er die Eishockey-Legende Wayne Gretzky.
Kölmels Appell vor den Mitgliedern des Transformationsbeirats: Der Nordschwarzwald hat die Chance, zum Pionier neuer Industriezweige zu werden. Aber dafür müssen sich die Unternehmen jetzt bewegen – und alte Gewissheiten hinter sich lassen.
TraFoNetz unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald ist ein Netzwerk für Transformation und Innovation, das Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen bringt. Ziel ist es, die Region Nordschwarzwald zu einem führenden Standort für innovative Unternehmen und zukunftsfähige Technologien zu machen.
Partner des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, e-mobil BW, IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Steinbeis InnoBW, wvib Wirtschaftsverband und weitere.
Jetzt Newsletter abonnieren und von vielen Vorteilen profitieren!